Im Visier: Hochintensives Intervalltraining
Ein Beitrag von Dr. Daniel Gärtner
In Leistungslust: Ausgabe 1/2017
Intervalltraining und besonders das HIIT ist im Fitnessbereich heute in aller Munde und wird als sehr effektiv und oftmals auch als neu und innovativ verkauft. Tatsächlich ist das Intervalltraining aber keine Neuheit des 21ten Jahrhunderts. Bereits vor dem zweiten Weltkrieg verhalf der Leichtathletiktrainer Woldemar Gerschler dem Mittelstreckenläufer Rudolf Harbig an die Weltspitze in der 800m und 1000m Distanz.
Die Wiege des Intervalltrainings. Gerschlers Trainingsprinzip beruhte darauf, viele Male kurze Strecken wie etwa 200m bis 400m mit hoher Intensität zu laufen; das Intervalltraining war „geboren“. In seiner Wahlheimat Freiburg errichtete er mit seinem Kollegen, dem Sportphysiologen Professor H. Reindell ein Trainingszentrum und gemeinsam entwickelten sie die „Theorie des Intervalltrainings“. Die Erfolge der Athleten, die nach dieser Theorie trainierten waren offensichtlich, sodass immer mehr auch ausländische Sportler nach Freiburg kamen, um nach der „Gerschler-Methode“ zu trainieren.
Die Problematik dabei: Das Wesen der Intervallmethode besteht im wiederholten systematischen Wechsel relativ kurzer Belastungs- mit Erholungsphasen. Letztere sind dabei so kurz, dass keine vollständige Erholung möglich ist und die Ermüdung allmählich ansteigt (1). Des Weiteren wird zwischen einer extensiven und intensiven Intervallmethode unterschieden. Das HIIT ist also ein Training nach letztgenannter Methode, mit sehr hoher Intensität. Es gibt einige Studien, die sich mit dem Thema HIIT und dessen Auswirkungen befassen. Je nach Ziel und Testgruppe der jeweiligen Studie, sind die Intensitäten und auch die Intervallzeiten des durchgeführten Trainings sehr unterschiedlich. An diesem Punkt stößt man auf ein großes Problem. Weder der Begriff HIIT selbst, noch die Belastungsnormative, die eine Methode charakterisieren, sind genau definiert. In den Studien von Tabata et al. (2, 3) besteht das Training beispielsweise aus sechs- bis achtmaliger Anstrengung über 20 Sekunden bei 170 bis 200 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) mit einer Pause von zehn Sekunden. Bei Hood et al. 2011 (4) hingegen werden zehnmal einminütige Intervalle bei nur 60 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) mit einer Minute Pause durchgeführt. Es wird deutlich, dass der Begriff keineswegs einheitlich verwendet werden kann, da es „das“ HIIT in diesem Sinn nicht gibt. Somit ist auch keine Grenze zu einem „normalen“ intensiven Intervalltraining vorhanden, wie es bei Weineck et al. (5) beschrieben wird. Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass Intervalltraining zwar grundsätzlich eine Methode des Ausdauertrainings darstellt, jedoch immer mehr auch im Kraft- und Kraftausdauertraining – besonders bei Übungen mit Eigengewicht – Anwendung findet. Effekte in diesem Bereich wurden jedoch noch kaum wissenschaftlich untersucht.
Abgrenzung vom HIIT zum HIT. In einigen Studien wird das hochintensive Intervalltraining mit HIT abgekürzt. Das ist insofern falsch, als dass es sich bei HIT um eine völlig eigenständige Methode handelt, die nicht mit HIIT verwechselt werden sollte. Der Hauptunterschied liegt darin, dass das HIT kein Intervalltraining ist. HIT (ausgeschrieben Hochintensitätstraining) wird im Kraft- und Kraftausdauerbereich verwendet und ist eine Alternative zum sehr verbreiteten Dreisatztraining. Bei letzterem werden von jeder Kraftübung drei Sätze ausgeführt. Jeder Satz besteht aus circa acht bis 15 Wiederholungen, wobei die letzte Wiederholung noch gerade so geschafft werden sollte. Es folgt eine Pause von zwei bis drei Minuten, bevor der zweite Satz beginnt und so weiter. Befürworter des Dreisatztrainings weisen auf die im Muskel erzielte Ermüdungsaufstockung hin, die einen starken Wachstumsreiz in der Muskulatur auslöst. Das HIT erreicht dieses Ziel mit einem anderen Weg. Hier wird nur ein einziger Satz von jeder Übung gemacht, der jedoch so intensiv ist, dass der Muskel möglichst effektiv stimuliert wird. Während man normalerweise am Punkt des momentanen Muskelversagens (PmM) abbricht, benutzt das HIT Intensitätstechniken, um noch ein paar Wiederholungen mehr zu schaffen. Beispiele solcher Techniken sind Reduktionssätze, bei denen man zunächst so viele Wiederholungen macht, wie zu schaffen sind, dann reduziert man das Gewicht um circa zehn bis 20 Prozent und macht noch ein paar zusätzliche Wiederholungen. Eine weitere Möglichkeit sind Intensivwiederholungen, bei denen ein Trainingspartner am PmM Teile des Gewichts übernimmt, um weitere Wiederholungen zu schaffen (6). Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass das HIT dieselbe oder sogar teilweise eine höhere Kraftsteigerung erzielt als das Dreisatztraining, jedoch mit nur etwa einem Drittel des Arbeits- beziehungsweise Zeitaufwandes. Gießing verweist in seinem Buch von 2009 dabei explizit auf die Landauer HIT-Studie, die diese Ergebnisse bestätigte.
Bestätigte Wirkungen. Es gibt derzeit nur sehr wenige Studien zu diesem Thema. Die bekanntesten Studien sind vom japanischen Wissenschaftler Tabata, die an olympischen Leistungssportlern durchgeführt wurde. Die wohl bekannteste Methode des HIIT ist das sogenannte „Tabata-Training“. Der japanische Sportwissenschaftler Izumi Tabata – Mitte der neunziger Jahre Trainer für das japanische Eisschnelllaufteam – untersuchte 1996 auf Anweisung des Cheftrainers die Effekte eines von diesem entwickelten Trainings. Ziel war es herauszufinden, ob ein Training mit hoher Intensität für das Team effektiver ist als ein klassisches Volumentraining. Die Studie bestand aus zwei Gruppen, die jeweils sechs Wochen mit einem mechanisch gebremsten Ergometer trainierten. Die eine Gruppe absolvierte fünf Tage pro Woche ein sechzigminütiges Ausdauertraining mittlerer Intensität (circa 70 Prozent VO2max). Die zweite Gruppe trainierte ebenfalls fünfmal pro Woche, jedoch nach einem hochintensiven Intervalltraining (HIIT), das aus sieben bis acht Sätzen à 20 Sekunden Anstrengung bei 170 Prozent VO2max, mit jeweils zehn Sekunden Pause zwischen den Intervallen bestand. Mit allen Studienteilnehmern wurden zu Beginn Vortests durchgeführt, in denen man die VO2max und die anaerobe Kapazität ermittelte. In Abbildung ist die Veränderung der anaeroben Kapazität beider Gruppen über die Trainingszeit dargestellt; in schwarz die Intervallgruppe (IT), in weiß die Ausdauergruppe (ET). Die Sternchen bzw. die Raute weißen auf eine statistische Signifikanz hin.
Kurzum wirkt sich ein hochintensives Intervalltraining bei Leistungssportler positiv auf die aerobe, als auch auf die anaerobe Ausdauerleistung aus. Darüber hinaus optimiert sich langfristig aufgrund der hohen Laktatproduktion während eines HIIT der Hormonhaushalt. Lehnte man lange Zeit ein intensives Training bis an die Laktat-Schwelle im Breitensport aus gesundheitlichen Gründen eher ab, da man sich schnell überanstrengen kann, zeigen neuste Studien, dass die Laktatbildung im Training durch ein HIIT viele Vorteile mit sich bringt und auch im Amateursport Anwendung finden sollte. Eine hohe Laktatkonzentration beeinflusst zwar kurzfristig die Muskelkontraktion negativ und stört das Hormongleichgewicht. Aber dies nur kurzfristig. Langfristig werden Wachstums- und Leistungshormone wie GH, Adrenalin und Noradrenalin, sowie Testosteron und Cortisol von einer zunehmenden Laktatproduktion sogar gefördert. Durch hohe Laktatwerte konnten neuseeländische Wissenschaftler nach dem Training sogar erhöhte Wachstumshormon-Konzentrationen feststellen, die im Zusammenhang mit Muskelwachstum stehen (7). Dass Laktatbildung die Produktion von Wachstumshormonen positiv beeinflusst, konnten auch Wissenschaftler von der Brunel Universität in London bestätigen (8). Kraftsportler, die regelmäßig intensives Ausdauertraining betrieben, konnten die Laktat-Toleranz im Laufe der Zeit steigern und dadurch mehr Muskeln aufbauen. Außerdem waren diese Sportler allgemein leistungsfähiger und hielten längeren Trainingseinheiten länger stand. HIIT verbessert die sportliche Leistung also schneller als moderates Ausdauertraining – ABER….
Schwachstellen. Um die gewünschte Effekte des HIIT zu erreichen, müssen die Sportler über ein bereits hohes Leistungsniveau verfügen und darüber hinaus das Training bis in den Maximalbereich durchführen können. Solch eine Leistung kann bei einem Breitensportler oder Anfänger nur schwierig oder überhaupt nicht erreicht werden. Darüber hinaus dürfen die gesundheitlichen Gefahren bei einem Training von Null auf 100 bei Anfängern gar nicht erst thematisiert werden. Ein Anfänger, kann erstens noch nicht kontrolliert in sein maximales Leistungsniveau einsteigen und zweitens wäre die Belastung des Herzens, der Muskeln und der Gelenke viel zu schnell beziehungsweise zu schnell zu hoch, um keine Schäden davon zu tragen. Die Anwendung von HIIT bei unsportlichen Personen oder Anfängern zielt eher auf den Abbau von Fett, als weniger auf die Verbesserung der Maximalleistung. In der Fitnessbranche wird jedoch genau dies versprochen. Mit HIIT könne man angeblich schneller Fett loswerden als mit einem moderaten Ausdauertraining. Es gibt aktuell nur sehr wenige Studien zu diesem Thema, jedoch zeigen die momentan einzig repräsentativen, dass durch ein HIIT keine gesteigerte Fettstoffwechselsynthese eintritt.
Keine gesteigerte Fettsynthese bei Anfängern. Bei erfahrenen Sportlern und Leistungssportlern zeigt sich, dass durch HIIT nicht nur die aerobe und anaerobe Leistungskapazität gesteigert wird, sondern dass sich auch der Fettstoffwechsel optimiert. Es werden deutlich weniger Kohlenhydrate, dafür jedoch mehr Fette verstoffwechselt. Der Grund dafür liegt an einer ökonomisierten Enzymaktivität. So zeigt sich in den Studien von Talanian et al. (9) eine deutlich höhere Aktivität der β-HAD (beta-hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase) und CS (Citratsynthetase). Bei Anfängern hingegen konnte dieser Effekt nicht bestätigt werden. Die Autoren verweisen bei ihren Studien mit Anfängern und übergewichtigen unsportlichen Personen darauf, dass bei der gewählten Intensität der Interventionen (circa 90 Prozent VO2max) positive Veränderungen der Kohlenhydratsynthese, Fettverbrennung, β-HAD und VO2max auftreten. Aber um diese Veränderungen herbeizuführen, benötigen Anfänger eine längere Reizdichte, da sie in den kurzen HIIT-Intervallen nicht an die nötige Reizschwelle herankommen.
In früheren Studien, in denen der Trainingsumfang geringer, dafür die Intensität höher war (10) war eine optimierte Fettsynthese bei Anfängern nicht nachweisbar, bei Leistungssportlern hingegen schon. Es ist daher anzunehmen, dass es doch ein bestimmtes Maß an Reizvolumen bei Anfängern benötigt, um Steigerungen dieser Parameter hervorzurufen.
PRAXISTIPPS
- Anfänger, die vorwiegend Fett abbauen wollen, sollten ein Intervalltraining über einen Zeitraum von mindestens 40 Minuten durchführen.
- 45 bis 60 Minuten Fußballspielen, Cardio-Aerobic, Joggen mit schnelleren Laufintervallen et cetera sind für Anfänger sinnvoller, als sich beim CrossFit in 20 Minuten die Kante zu geben.
- Erst wenn das Leistungsniveau deiner Kunden entsprechen hoch ist, fängt HIIT an zu wirken.
Literatur
- Barth, Bernd (2011): Trainingslehre – Trainingswissenschaft. Leistung, Training, Wettkampf. 2., akt. Aufl. Hg. v. Günter Schnabel. Aachen: Meyer & Meyer.
- Tabata I, et al. 1996. Effects of moderate-intensity endurance and high-intensity intermittent training on anaerobic capacity and [spacing dot above]VO2max. Sci. Sports Exer. 28;10:1327-1330
- Tabata I, et al. 1997. Metabolic profile of high intensity intermittent exercises. Sci. Sports Exer. 29;3:390-395
- Hood, Melanie S.; Little, Jonathan P.; Tarnopolsky, Mark A.; Myslik, Frank; Gibala, Martin J. (2011): Low-volume interval training improves muscle oxidative capacity in sedentary adults. In: Medicine and science in sports and exercise 43 (10), S. 1849–1856. DOI: 10.1249/MSS.0b013e3182199834.
- Gießing, Jürgen (2009): HIT-Fitness. HochIntensitätsTraining – maximaler Muskelaufbau in kürzester Zeit. München: riva.
- Quelle neuseeländische Studie: Crewther, B., Cronin, J., & Keogh, J. (2006). Possible stimuli for strength and power adaptation. Sports medicine, 36(1), 65-78.
- Brunel London and McMaster Canada: West, D. W., & Phillips, S. M. (2012). Associations of exercise-induced hormone profiles and gains in strength and hypertrophy in a large cohort after weight training. European journal of applied physiology, 112(7), 2693-2702.
- Talanian, Jason L.; Galloway, Stuart D R; Heigenhauser, George J F; Bonen, Arend; Spriet, Lawrence L. (2007): Two weeks of high-intensity aerobic interval training increases the capacity for fat oxidation during exercise in women. In: Journal of applied physiology (Bethesda, Md. : 1985) 102 (4), S. 1439–1447. DOI: 10.1152/japplphysiol.01098.2006.
- Gibala, Martin J.; Little, Jonathan P.; van Essen, Martin; Wilkin, Geoffrey P.; Burgomaster, Kirsten A.; Safdar, Adeel et al. (2006): Short-term sprint interval versus traditional endurance training: similar initial adaptations in human skeletal muscle and exercise performance. In: The Journal of physiology 575 (Pt 3), S. 901–911. DOI: 10.1113/jphysiol.2006.112094.
- Weineck, Anka; Watzinger, Klaus; Weineck, Jürgen (2007): Leistungskurs Sport. 3. Aufl. Forchheim: Zenk.
Für Eilige
Hochintensives Intervalltraining, kurz HIIT, wird in der Fitnessbranche als „Wunderwaffe“ gegen Fettpölsterchen verkauft. Moderates Ausdauertraining wäre weniger wirkungsvoll als kurze und sehr intensive Einheiten bis zu maximalen Erschöpfung. An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob diese Wirkungen wissenschaftlich überhaupt abgesichert sind beziehungsweise wie sich HIIT wirklich auf den menschlichen Organismus auswirkt.